Vor 100 Jahren kam der Findling ins Dorf
Das Ehrenmal an der Brelinger Kirche hat eine besondere Geschichte
Ein mächtiger Stein, der ganz in der Nähe der Brelinger Kirche liegt, ist einmal im Jahr Treffpunkt für alle Menschen, die der Opfer von Kriegen, Vertreibung und Gewalt gedenken wollen. Auch in diesem Jahr werden am Volkstrauertag, 13. November, nach einem Gottesdienst in der Kirche Kränze am Ehrenmal niedergelegt. Der große Findling, der vor einem 1949 aufgestellten Eichenkreuz das Herzstück des Ehrenmals bildet, kam vor genau 100 Jahren ins Dorf.
In seiner Osterpredigt im Jahr 1922 gab Pastor Otto Willi Meyer den Anstoß: „Wer wälzt uns den Stein?“, fragte er die Gottesdienstbesucher*innen damals. Bürgermeister Heinrich Uelschen hegte schon länger den Plan, für die im Ersten Weltkrieg ermordeten Soldaten aus Brelingen ein Ehrenmal zu errichten; nun hatte er auch die offizielle Unterstützung durch den Pastor.
Wie Heimatchronist Martin Müller recherchierte, waren sich im Anschluss alle Besucher*innen einer Gemeindeversammlung einig: Ein Stein aus der Brelinger Gemarkung und der größte auffindbare Findling sollte es sein. Bürgermeister Uelschen konnte sogleich mit einem Vorschlag aufwarten: „Der Stein ist gefunden“, soll er in der Versammlung gesagt haben. Uelschen hatte in der Großen Heide im Dreieck zwischen Schadehop, Wiechendorf und Resse einen Findling ausgemacht, der in Länge und Breite jeweils etwa 2,30 Meter aufzuweisen hatte. Allerdings lag dieser Stein abseits von befestigten Wegen auf dem Acker eines Bissendorfer Landwirts, zudem etwa zur Hälfte in der Erde. Das Sägewerk Bohm stellte also einen Holztransportwagen zur Verfügung, dem Zimmermeister Bohm eine Ladung von 160 Zentnern (acht Tonnen) zutraute. Auf dieses Gewicht schätzten die Brelinger ihren Stein.
An einem Tag im Mai 1922 machten sich 26 Männer mit mehreren Pferden und Wagen sowie dicken Holzstämmen auf den Weg in die Große Heide. Zehn Stunden später war der Stein freigelegt und bis zum Abend war es tatsächlich gelungen, den mächtigen Findling auf den Pferdewagen zu bringen. Dessen Räder waren dabei tief in den Ackerboden eingesunken.
Am nächsten Tag waren es 30 Männer und zehn Pferde, die den schweren Wagen auf Holzbohlen etwa 200 Meter weit voranbrachten. Doch die befestigte Straße zwischen Wiechendorf und Brelingen war noch weit entfernt und es bestand die Gefahr, dass der Stein herunterrollen könnte.
Am dritten Tag waren noch mehr Helfer und Pferde im Einsatz und nun ging es voran. Zur Mittagszeit war die Straße erreicht und am Abend konnten die Dorfbewohner*innen die schwere Fracht an der Kirche in Empfang nehmen. Die Inflation in Deutschland bremste dann aber die weiteren Arbeiten zur Errichtung eines Denkmals aus.
Erst im Oktober 1924 konnte das Ehrenmal eingeweiht werden. Die in den Stein eingelassene Tafel trägt die Namen von 18 Brelinger Soldaten, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren. Eine weitere Bronzetafel, die später an einem kleinen Findling angebracht wurde, erinnert an die 51 Ermordeten des Zweiten Weltkrieges. Das Ehrenmal wird von der Soldatenkameradschaft Brelingen gepflegt.
Am Volkstrauertag wird wieder aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht – in diesem Jahr auch vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine. Damals, 1924, bei der Einweihung des Ehrenmals, sagte ein Brelinger Bürger: „Besser, es wäre nicht nötig gewesen.“ Quelle: Friedrich Bernstorf